MORO Regionale Lebensverhältnisse - Messkonzepte zur Bewertung ungleicher Lebensverhältnisse in den Teilräumen Deutschlands / MORO-Regional

Ausgangslage

Sobald in Deutschland über die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse in allen Teilräumen diskutiert wird, wird oft Bezug auf Artikel 72, Abs. 2 des Grundgesetzes (GG) genommen. Dieser regelt jedoch nur die fallbezogene Gesetzgebungskompetenz in der konkurrierenden Gesetzgebung zwischen Bund und Ländern, wenn der Gesetzgeber „die Wahrung der Rechts- oder Wirtschaftseinheit im gesamtstaatlichen Interesse“ gefährdet sieht. Für die Herstellung gleichwertiger Lebensverhältnisse bietet das Bundesraumordnungsgesetz (ROG) in §1, Abs. 2 direkte Bezüge für die Raumordnung in Bund und Ländern, da es die Leitvorstellung formuliert „einer nachhaltigen Raumentwicklung, die die sozialen und wirtschaftlichen Ansprüche an den Raum mit seinen ökologischen Funktionen in Einklang bringt und zu einer dauerhaften, großräumig ausgewogenen Ordnung mit gleichwertigen Lebensverhältnissen in den Teilräumen führt“. Daneben gibt es weitere Gesetze, die raumwirksam sind wie Artikel 106 GG, der den Finanzausgleich zwischen den Ländern im Falle einer ungleichgewichtigen Entwicklung bestimmt.

Diese Leitvorstellung ist normativ so offen, dass sehr unterschiedliche Vorstellungen und Konzepte darüber bestehen, was unter gleichwertigen Lebensverhältnissen zu verstehen ist und wie darauf aufbauend eine Messung operationalisiert werden kann. Als gesetzt gelten entsprechend des ROG die Dimensionen Soziales, Wirtschaft und Ökologie. Im Raumordnungsbericht 2011 wurden diese Dimensionen um Indikatoren der Grundversorgung entsprechend der staatlichen Daseinsvorsorge und weiteren Indikatoren u.a. zu den Lebenslagen, zum Wohlstand ergänzt (BBSR 2011). Eine wohlbegründete Herleitung der Dimensionen und Indikatoren sowie eine Abgrenzung der Teilräume, die unterschiedliche Lebensverhältnisse widerspiegeln, steht jedoch noch aus.

Ziel und Aufgabenstellung

Ziel des durch das BBSR – Bundesinstitut für Bau-, Stadt- und Raumforschung geförderte Modellvorhabens ist es, diese Lücke zu schließen und ein Messkonzept zur Bewertung ungleicher Lebensverhältnisse in den Teilräumen Deutschlands zu entwickeln. Die wissenschaftliche Fundierung des Konzeptes umfasst hierbei insbesondere

Vorgehensweise

Es ist ein Methodenmix aus qualitativen und quantitativen Methoden der empirischen Sozialforschung (Fully Integrated Mixed Design) vorgesehen. Mit der wechselseitigen Anwendung qualitativer und quantitativer Methoden können Indikatoren entwickelt und zugleich besser reflektiert werden.

In einem ersten Schritt erfolgt der Forschungsüberblick zur inhaltlichen Herleitung des zu entwickelnden Messkonzepts. Im Rahmen der Analyse ausgewählter Literatur wird der aktuelle Forschungs- und Diskussionsstand zur räumlichen Gerechtigkeit, also zum Ziel der Herstellung „gleichwertige Lebensverhältnisse“, zur Messung regionaler Disparitäten sowie zur Messung der subjektiven Wahrnehmung von Lebensverhältnissen aufbereitet.

Aufbauend auf diesem Forschungsüberblick werden sowohl die zentralen Dimensionen „gleichwertiger Lebensverhältnisse“ abgeleitet als auch das Forschungsdesign zur Messung ungleicher Lebensverhältnisse konzipiert. Dieser Konzeptionsvorschlag wird mit externen Akteuren und Experten im Rahmen eines Start-Workshops diskutiert.

Über multivariate Verfahren (Faktoren- und Clusteranalysen) sollen aus einem vorgeschlagenen Indikatorenset die geeigneten Indikatoren zur Messung regionale Disparitäten in den Teilräumen Deutschlands empirisch identifiziert werden. Diese werden mit subjektiven Indikatoren gespiegelt.

Zur Erfassung der subjektiven Wahrnehmung der Lebensverhältnisse wird ein qualitativer Methodenansatz gewählt. Hierzu werden in drei ausgewählten Modellregionen folgende Verfahrensschritte durchgeführt: Dokumente und Berichte über und aus den Regionen (auch unter Rückgriff auf regionale und überregionale Medien) geben erste Hinweise auf die Lebensverhältnisse vor Ort. Eine erste Beobachtung und Begehung durch das Projektteam (Außenperspektive) ergänzt diese ersten Einblicke. Ausgewählte Expertengespräche mit Mandatsträgern, Verwaltung, Lokalredaktionen, Bürgergruppen gewähren Einblicke in die Binnensicht. Anschließend sollen mittels fokussierter Gruppengespräche die subjektiven Meinungen sowohl von Bürgerinnen und Bürgern als auch von Experten systematisiert werden. In einem weiteren Schritt erfolgt eine durch fachkundige Bürgerinnen und Bürger geführte/gestaltete Regionsexkursion. Ziel ist es, Orte (un)gleicher Lebensverhältnisse (z.B. Lücken in der Daseinsvorsorge, Symbole der „Vernachlässigung“) zu besuchen und deren (subjektive) Bedeutung für die Bevölkerung zu verstehen.

Der enge Zeitrahmen erfordert es, die Auswahl der drei Modellregionen schon vor der Entwicklung des Messkonzeptes auszuwählen. Diese erfolgt auf Basis bestehender Indikatorenkonzepte und/oder Typologien zu sozio-ökonomischen Fragestellungen sowie über weitere qualitative Kriterien z.B. über eine ausgewogene Verteilung im Raum und Erfahrungen im Rahmen von Modellprojekten.

Die Zwischenergebnisse der einzelnen Verfahrensschritte werden im Rahmen verschiedener Workshops diskutiert. Es werden sowohl Workshops in den einzelnen Modellregionen mit den Akteuren vor Ort als auch regional übergeordnete Workshops mit Auftraggeber, externen Experten und Experten der Modellregionen gemeinsam diskutiert. Dieses diskursive und sukzessive Vorgehen im Rahmen der knapp einjährigen Projektlaufzeit ermöglicht die Qualitätssicherung in Hinblick auf eine transparente Messung ungleicher Lebensverhältnisse.

Konsortium

Das Projekt wird federführend durch das Institut Arbeit und Technik im Auftrag des BBSR – dem Bundesinstitut für Bau-, Stadt-und Raumforschung im Bundesamt für Bauwesend und Raumordnung durchgeführt. Projektpartner ist das ZEFIR - Zentrum für interdisziplinäre Regionalforschung - Institut der Fakultät für Sozialwissenschaft der Ruhr-Universität Bochum.

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