Digitale Wissensflüsse Geflüchteter - Zwischen temporären und geografischen Herkunft- und Zielorten / FLOURISH
Ziel und Aufgabenstellung
Der öffentlichen Debatte über den Besitz von „Luxusartikeln“ in Form von „Smartphones“ seitens der Gruppe syrischer Geflüchteter (siehe z.B. Süddeutsche Zeitung, 11. August 2015), die ein Unverständnis in bestimmen Bevölkerungsgruppen der Ankunftsländer wie Deutschland etc. hervorrief, kann mit dem Argument entgegnet werden, dass Smartphones das „neue schnelle Fenster“ zur Außenwelt der Zielgruppe sind. Dieses Werkzeug ermöglicht es Geflüchteten sich in erster Linie zu orientieren und jederzeit ortsunabhängig zu kommunizieren. In ihren transnationalen Migrationsnetzwerken (z.B. Pries, 2001, 2011, Schmiz, 2011, Schmitz, 2013) können sie ihre Familie, Freunde und Kontakte (inklusive derjenigen, die sie in Transitländern und auf der Flucht kennengelernt haben) synchron mit Informationen aus dem Ankunftsland/Ankunftsregion beliefern und ihre Erfahrungswerte schnell übermitteln z.B. durch die Nutzung von sogenannten Kurznachrichtendiensten wie „Whatsapp“.
Bei der Betrachtung der Informationsgehalte, die ausgetauscht werden, stellt sich in dem Kontext die Frage wie temporäre Nähe in Flüchtlingsunterkünften den Informationsgehalt und Informationsfluss, basierend auf dem Proximitätskonzept (u.a. Boschma 2005, Kuttim, 2016), beeinflusst haben und wie sich diese nach dem Auszug und dem Auflösen der Nähe verändert haben. Das Konzept der Proximität sieht ähnliche Werte, kognitive Muster, verwandte Historie und kulturelle Pfade von Individuen, die temporär an einem physischen Ort miteinander interagieren als unterstützende Faktoren der Vertrauensbildung, was wiederum einen schnelleren und informellen Wissensaustausch zulässt, der mit Hilfe digitaler Medien weitervermittelt werden kann.
Vorgehen
Im Mittelpunkt der Untersuchung steht eine Onlinebefragung der Zielgruppe (ca. 25 – 30 Personen), die sich in den oben beschriebenen Kontext bewegt und darauf abzielt zu erforschen:
- Welche Gehalte und Informationen werden per z.B. „Whatsapp“ zwischen Herkunfts- und Ankunftsregion ausgetauscht (z.B. Fluchtweg, Arbeitsmarkt, soziokulturelle Lage des Ziellandes)?
- Hat die temporäre Proximität Einfluss auf den Gehalt der Informationen und haben sich Informationen nach dem Auszug aus der Flüchtlingsunterkunft verändert?
- Werden vielleicht Mythen über das Ziel-/Ankunftsland verbreitet und damit die eigene Situation beschönigend dargestellt?
- Beeinflussen die Informationen vielleicht den Nachzug oder die Kettenmigration aus Syrien und anderen Ländern nach Deutschland oder Italien?
Die Onlinebefragung wird sowohl in der Region NRW durchgeführt, die als die stärkste Erstaufnahmeregion von Geflüchteten (BAMF, 2017) in Deutschland gilt, als auch in der italienischen Region Marken (Partner: Universität Macerata), die eine der ersten Ankunftsregionen aufgrund ihrer geographischen Lage in Italien ist. Erste Ergebnisse werden auf dem Deutschen Kongress der Geographie 2017 „Eine Welt in Bewegung • Erforschen - Verstehen – Gestalten“, 30.9. – 5.10.2017 / Eberhard Karls Universität Tübingen vorgestellt.
Link zur Onlinebefragung: http://survey.unimc.it/index.php?r=survey/index&sid=944286&lang=en
Kontakt:
Dr. Alexandra David, IAT
Prof. Paolo Sospiro, Universität Macerata
paolo.sospiro@unimc.it