Wissenschaftsbasierte und handlungsorientierte Prozessbegleitung, Prozessdurchführung und Moderation im Rahmen des Fachkräftesicherungskonzepts der Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen / GE:FACH

I. Hintergrund und Ausgangslage

Die Stadt Gelsenkirchen steht hinsichtlich der Arbeits- und Fachkräftesituation wie viele andere Regionen Deutschlands vor erheblichen Herausforderungen. Die wirtschaftliche Struktur der Stadt hat sich in den letzten Jahrzehnten stark gewandelt. Während früher der Bergbau und die Schwerindustrie dominierten, ist heute eine Diversifizierung der Wirtschaft zu beobachten, die auch mit strukturellen Änderungen und einem erhöhten Bedarf an qualifizierten Fachkräften einhergeht. Viele Unternehmen in Gelsenkirchen berichten von Schwierigkeiten, qualifizierte Fachpersonen oder gar Arbeitskräfte zu finden, insbesondere in technik- und naturwissenschaftsnahen Berufen, im Gesundheitswesen und in handwerklichen Berufen. Rund 79 Prozent der ausgeschriebenen Stellen richten sich an Menschen, die entweder auf Fachkraftniveau oder höher qualifiziert sind. Zugleich hat Gelsenkirchen, wie viele andere Städte des Ruhrgebiets, mit einer hohen Arbeitslosenquote zu kämpfen, 2023 war Gelsenkirchen die Stadt mit der höchsten Arbeitslosenquote in Deutschland (Bundesagentur für Arbeit 2023). Die durchschnittliche Arbeitslosenquote für Gelsenkirchen betrug 14,6%, die Jugendarbeitslosigkeit stieg in Gelsenkirchen und Bottrop im Vergleich zu 2022 um 8,1 Prozent und lag damit im Jahresdurchschnitt bei 2.200 jungen Erwachsenen unter 25. Allerdings stieg die Jugendarbeitslosigkeit im Agenturbezirk jedoch weniger stark als im gesamten Ruhrgebiet (+10,2%). Gelsenkirchen verfügt im interregionalen Vergleich zudem über einen hohen Anteil an langzeitarbeitslosen Menschen, über einen wachsenden Zuzug durch Migration sowie über einen überdurchschnittlich hohen Anteil an Personen im SGB-II-Bezug, die über keine Berufsausbildung verfügen.

Durch den Strukturwandel sind viele traditionelle Arbeitsplätze in der Industrie weggebrochen, während neue Wirtschaftszweige und Innovationsbranchen im Aufbau, in Transformation oder noch nicht vollständig etabliert sind. Zugleich stehen die Unternehmen am Standort Gelsenkirchen angesichts der derzeitigen wirtschaftlichen Lage und der Energiewende vor zusätzlichen Herausforderungen. Trotzdem gibt es positive Entwicklungen, insbesondere im Bereich der Informations- und Kommunikationstechnologie, der Energiewirtschaft sowie bei personenbezogenen sozialen Dienstleistungen, wo neue Arbeitsplätze entstehen bzw. künftig zu erwarten sind. Die Stadt hat in den letzten Jahren verschiedene Initiativen gestartet, um den arbeitsmarktbezogenen Herausforderungen entgegenzuwirken. Dazu gehören u.a. Maßnahmen zur Erhöhung der Bildungs- und Weiterbildungsbeteiligung, Programme zur Förderung von Start-ups, eine Zukunftsinitiative im Berufsfeld Pflege und die Unterstützung von Migranten und Geflüchteten bei der Integration in den Arbeitsmarkt. Weitere relevante Entwicklungen sind die Aktivitäten zum „Zukunftscampus Emscher-Lippe“ sowie zum Bildungs- und Innovationscampus. Die Westfälische Hochschule (WH) in Gelsenkirchen und die regionale Hochschullandschaft insgesamt spielen ebenfalls eine wichtige Rolle, indem sie praxisorientierte Studiengänge anbietet, die auf die Anforderungen der lokalen und überregionalen Wirtschaft ausgerichtet sind.

Langfristig wird es entscheidend sein, die Attraktivität von Gelsenkirchen als Arbeits- und Wohnort zu erhöhen, um sowohl junge Talente, Arbeitskräfte mit Qualifizierungsperspektive als auch erfahrene Fachkräfte in die Stadt zu ziehen und zu halten. Insbesondere dort, wo Arbeitsplatzperspektiven wegzubrechen drohen, wird es an Relevanz gewinnen, vorhandene Arbeitsmarktinstrumente zur Förderung von Berufs- und Quereinstiegen gezielt zu nutzen. Dies erfordert Investitionen in berufliche Weiterbildung, die Förderung von Berufsorientierung und Ausbildungszugängen aus dem Übergangssystem Schule und Beruf, Strategien für die nachhaltige Integration (junger Menschen) in den Arbeits-, Ausbildungs- und Qualifizierungsmarkt ebenso wie neue Wege in der Unterstützung langzeitarbeitsloser Menschen und eine verstärkte und zieldefinierte Vernetzung von Wirtschaft, Wissenschaft und Politik in zentralen Handlungsfeldern zur Fach- und Arbeitskräftesicherung. Ein Beispiel hierfür ist der Auf- und Ausbau eines gesundheitsorientierten Unterstützungsangebots (fallspezifisches Case-Management) für langzeitarbeitslose Menschen (Schad/Evans-Borchers/Hilbert 2024). Um zu verhindern, dass junge Menschen aufgrund etwa eines fehlenden Schulabschlusses für den Ausbildungsmarkt verloren gehen, ist eine frühzeitige Vernetzung von ausbildungswilligen Betrieben und künftigen, potenziellen Auszubildenden zielführend.

Ein zentrales zu entwickelndes Aktivitäts- und Geschäftsfeld der Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen sind Unterstützungsleistungen, Angebote und Maßnahmen für Unternehmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung. Mit dem Zukunftsprogramm ARBEIT plant die Stadt Gelsenkirchen in Federführung des Bereichs „Arbeit & Soziales“ zudem eine Initiative, die darauf abzielt, den Arbeitsmarkt und die Beschäftigungschancen in der Region nachhaltig zu stärken. Unabhängig hiervon hat die Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen den Auftrag, konkrete Angebote und Maßnahmen für die Unternehmen am Standort zur Arbeits- und Fachkräftesicherung zu entwickeln und umzusetzen.

Neben der Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen sind u.a. das Jobcenter Gelsenkirchen und weitere städtische Institutionen am avisierten „Zukunftsprogramm ARBEIT“ beteiligt, weitere Arbeitsmarktakteure in Gelsenkirchen sollen künftig für den Prozess gewonnen werden. Im Handlungsfeld E, für das die Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen federführend ist, sollen neue Konzepte, Lösungen und Maßnahmen für die lokale Arbeitskräfte- und Fachkräftesicherung identifiziert, konzipiert und im lokalen Arbeitskontext umgesetzt werden. Diesbezüglich existieren Synergien zwischen der Umsetzung des Fachkräftesicherungskonzepts der Wirtschaftsförderung der Stadt Gelsenkirchen sowie dem avisierten Zukunftsprogramm.

II. Zielsetzung und operative Umsetzung des Auftrags

Das übergreifende Auftragsziel ist die zielführende Gestaltung des Beteiligungsprozesses für akteursübergreifende Strategien der Arbeits- und Fachkräftesicherung. Im Ergebnis soll eine Roadmap mit konkreten Maßnahmen und definierten Handlungsschritten für deren Umsetzung im zukünftigen Prozess erarbeitet werden.

Ausgehend hiervon soll für das Aktivitäts- und Geschäftsfeld „Arbeitskräfte-/Fachkräftesicherung“ ein beteiligungsorientierter Prozess zur Entwicklung und Umsetzung einer akteursübergreifenden Ziel- und Maßnahmenplanung initiiert werden. Dieses Ziel erfordert die Organisation, Steuerung, Konzeption und Begleitung des Prozesses in Abstimmung mit der Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen als die für dieses Handlungsfeld verantwortliche Institution. Damit werden insbesondere folgende Aufgabenfelder und Tätigkeiten adressiert:

  • Organisation: Bezugspunkt dieses Aufgabenfeldes ist die wissenschaftsbasierte und handlungsorientierte Prozessbegleitung, Prozessdurchführung und Moderation für die vorgesehene Projektlaufzeit. Hierunter fallen insbesondere Tätigkeiten wie die Abstimmung anfallender Daten- und Informationszulieferungen sowie weiterer unterstützender Aufgaben (z.B. Abstimmung mit der Gesamtprogrammbegleitung) in Kooperation mit der Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen.
  • Steuerung: Die Planung und Umsetzung erfordert zum einen eine themenfeldspezifische, datengestützte Bestandsaufnahme (Datenaufbereitung). Diese liefert die Basis für die weiteren Prozessschritte. In Form von Fact-Sheets werden nach Abstimmung mit der Wirtschaftsförderung Gelsenkirchen a. Datengrundlagen sowie b. Ziele und Bedarfe für die weiteren Prozessschritte in kompakter Form (Fact-Sheet) aufbereitet. Zum anderen ist eine Einordnung der zu entwickelnden Maßnahmen in gegenwärtige innovations-, standortentwicklungs- und arbeitsmarktbezogene Aktivitäten (Stadt/Region) sinnvoll, um Synergieeffekte skizzieren und erzielen zu können.
  • Konzeption: Bezugspunkt dieses Aufgabenfeldes ist die Planung und Durchführung von Workshops mit Akteur:innen aus der Region, um Wissen zu bündeln, Maßnahmen zu identifizieren und verbindlich zu vereinbaren. Weiterhin wird die Wirtschaftsförderung konzeptionell in der Entwicklung, Durchführung und Auswertung einer Befragung unterstützt. Die Entwicklung/Konzeption der Befragung sowie Auswertung und Interpretation liegt beim IAT, die Durchführung der Befragung liegt bei der Wirtschaftsförderung.
  • Umsetzung: In Kooperation mit der Wirtschaftsförderung werden auf Basis der Datenbefunde, Workshops und der Befragung zentrale Handlungsschwerpunkte und Maßnahmen zur Arbeits- und Fachkräftesicherung in Gelsenkirchen entwickelt. Ziel in der Projektlaufzeit ist es, gemeinsam mit der Wirtschaftsförderung und ggf. weiteren Akteuren konkrete Gestaltungsmaßnahmen inklusive der dafür notwendigen Umsetzungsschritte (Roadmap für den weiteren Prozess) zu erarbeiten.

Sofern dies für den Gesamtprozess seitens der Auftraggeberin als sinnvoll erachtet wird, kann das IAT mit einer Recherche existierender Umsetzungsprojekte/-erfahrungen aus anderen bundesdeutschen Regionen unterstützen.

 

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