"Für das Leben im Alter ist es nie zu früh!"
Podiumsdiskussion mit IAT-Forschungsdirektor PD Dr. Josef Hilbert beim Gesundheitskongress des Westens in Essen
Pressemitteilung vom 13.03.2009
Redaktion:
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“Wie wollen wir im Alter leben?” – Dieser Frage stellte sich eine Expertenrunde jetzt auf dem Gesundheitskongress des Westens in Essen. Moderiert von PD Dr. Josef Hilbert, Forschungsdirektor am Institut Arbeit und Technik (IAT / Fachhochschule Gelsenkirchen) und Brigitte Meier, Clustermanagerin Gesundheitswirtschaft NRW, diskutierten durchaus kontrovers namhafte Buchautoren, Wissenschaftler und Praktiker über neue Wohnformen, bessere Dienstleistungen und moderne Technik für mehr Lebensqualität und Gesundheit im Alter.
Deutlich wurde, dass viele Senioren auf das Alter kaum vorbereitet sind. “Bereits mit 40 oder 50 Jahren sollten wir uns Gedanken machen, wie wir mit 70 leben wollen und nicht einfach mit der Fortsetzung der Routine in den eigenen vier Wänden rechnen”, so der Rat der Experten. 22 Millionen Bürger in Deutschland sind heute über 65 Jahre alt, in einigen Jahren werden es 30 Millionen sein. Nur 10 Prozent des Wohnungsbestands sind für Ältere geeignet, 90 Prozent leben dagegen – oft allein – in inzwischen viel zu großen Familienwohnungen. Hier steht die Wohnungswirtschaft vor großen Herausforderungen.
Henning Scherf, Bestseller-Autor zum Thema “Grau ist Bunt” und ehemals Bürgermeister in Bremen, berichtete aus seinen 21 Jahren Erfahrung in einer intergenerativen Wohngemeinschaft. Sein Plädoyer: nicht Altenwohnungen auf der grünen Wiese oder “Sun-Cities” wie in den USA neu bauen, sondern vorhandene Substanz bedarfsgerecht optimieren, barrierefrei und mit einer attraktiven Infrastruktur in der Wohnumgebung, die Kontakte zwischen den Generationen fördert. Die technischen Ansprüche hängt er “nicht so hoch: man muss erreichbar sein, Telefon, PC…” — wichtiger ist ihm “soviel menschliche Nähe wie möglich”. Ähnlich sieht das der Architekt Eckhard Feddersen. Er schlägt z.B. vor leergezogene Bürohäuser in den Citys wieder zurückzubauen zu gemischten Wohnquartieren, in denen Alt und Jung zusammen leben. An Technik wünscht er sich einfach zu bedienende Geräte, die auch im “normalen” Leben genutzt werden, etwa Bildtelefonie so ähnlich wie Skype.
Werner Korte von empirica – Gesellschaft für Kommunikations- und Technologieforschung, Bonn, warnte davor, die Technologieentwicklung zu verteufeln. Technik könne durchaus nützlich sein, ermöglicht Kommunikation, Information, Sicherheit und Komfort, und müsse nicht über Bedarf eingekauft werden. Aber Technik komme nicht ausreichend beim Verbraucher an – vieles Mögliche werde von Senioren nicht genutzt, zudem bilden die europaweit unterschiedlichen Versorgungs-, Finanzierungs- und Zuzahlungssysteme eine deutliche Investitions- und Innovationsbarriere für die deutsche Gesundheitswirtschaft.
Aus dem Bielefelder Modell, das das Wohnen für Senioren mit Versorgungssicherheit nach Bedarf ermöglicht, berichtete Geschäftsführer Werner Müller, wie Pflegedienste sich im Wohnquartier zu breit aufgestellten Diensteanbietern weiterentwickeln können und müssen. Mit ausreichend Anlaufzeit und einer Grundfinanzierung könnten sie von einer geringen Zahl Pflegekunden zu einem Pflegestützpunkt im Quartier werden und weitere Angebote auch im Bereich Kinder und Jugend aufbauen.
Prof. Dr. Ludger Pientka, Ärztlicher Direktor der Klinik für Altersmedizin und Frührehabilitation am Marienhospital Herne, gab zu bedenken, dass viele Alte heute keine Vorstellung davon haben, wie sie alt werden wollen und können. “Warum gibt es eigentlich keine Kurse zur Altersvorbereitung?” Viele Senioren können auch mit den zur Verfügung gestellten Hilfsmitteln kaum umgehen. Größtes Defizit: “die älteren Nutzer werden zu wenig befragt, was sie eigentlich wollen und benötigen!”
“Aus diesem Workshop kommen konkrete Anforderungen an das Clustermanagement Gesundheitswirtschaft zu”, so Josef Hilbert bei seinem Schluss-Resümee. “An allererster Stelle steht, dass mehr Transparenz her muss über das, was heute schon an Wohnraum- und Wohnumfeldgestaltung möglich ist. Und ganz wichtig ist auch mehr Klarheit zu haben bei der Frage, welche Maßnahmen und Leistungen vom wem finanziert werden!”
Für weitere Fragen steht Ihnen zur Verfügung:
Josef Hilbert(Gesundheitswirtschaft & Lebensqualität, Gemeinsame Versorgung im Ruhrgebiet)