Urbane Produktion - Chancen für das Ruhrgebiet?
Offenes Kolloquium am Institut Arbeit und Technik mit Stadtforscher Prof. Dr. Dieter Läpple
Pressemitteilung vom 01.02.2017
Redaktion:
Marco Baron
In der Stadtplanung herrschte Jahrzehnte lang die Prämisse einer funktionalen Trennung von Arbeiten, Wohnen und Leben in der Stadt vor. Erst durch das Leitbild der nachhaltigen europäischen Stadt wird vermehrt wieder eine Nutzungsmischung in den Städten forciert. Darauf wies Prof. Dr. Dieter Läpple jetzt bei einem Kolloquium des Instituts Arbeit und Technik (IAT/Westfälische Hochschule) hin, zum dem der IAT-Forschungsschwerpunkt Raumkapital im Rahmen eines aktuellen Projektes zur Urbanen Produktion eingeladen hatte.
Bislang wird der Produktion von Gütern noch wenig Platz in der Stadt eingeräumt, sie soll weiterhin am Stadtrand stattfinden. Vorwiegend werden Dienstleistungen z.B. in Form von Büros, Einzelhandel oder Praxen und die wissens- und kulturbasierte Ökonomie ins Quartier geholt. Läpple machte jedoch deutlich, dass Produktion Dienstleistungen benötige und umgekehrt (service-manufacturing-links), um Innovationen zu schaffen. Durch neue Produktions- und Fertigungsmethoden, Industrie 4.0 und einen gesellschaftlichen Wertewandel werde es wieder eher möglich, Produktion zurück in die Stadt zu holen.
Offen bleiben allerdings die Fragen, ob die Bewohnerinnen und Bewohner der Quartiere bereit sind, eine nutzungsgemischte Stadt zu akzeptieren und ob die Unternehmen – insbesondere das Handwerk – eine Rückkehr in die Quartiere in signifikanten Größen mitmachen.
Die IAT-Wissenschaftlerinnen Martina Brandt und Kerstin Meyer ergänzten in ihrem Vortrag die theoretische Fundierung des recht neuen Forschungsgebiets Urbane Produktion und schlugen eine erste Taxonomie der verschieden Möglichkeiten urbaner Produktion vor. Mithilfe von Beispielen wurde gezeigt, dass unter Urbaner Produktion sowohl urbane Industrie (Stockwerkfabrik), urbane Landwirtschaft als auch urbane Manufakturen zu verstehen sind. Außerdem wurden die Chancen und Potenziale herausgestellt, die sich durch Urbane Produktion für strukturschwache Quartiere ergeben könnten: Dort sind Möglichkeitsräume und Akteure vorhanden, die es zu mobilisieren gilt. Wie sich dies umsetzen lässt, erforscht das IAT anhand zweier Verbundprojekte, die in zwei Reallaboren im Stadtgebiet Bochum umgesetzt werden sollen.
IAT-Direktor Prof. Dr. Josef Hilbert hob hervor, dass das Vorhaben, Arbeit und Dienstleistungen zurück ins Quartier zu holen, „kompetente Kümmerer“ braucht, die sich mit langem Atem daran machen, die Räume zu gestalten. Dr. Stefan Gärtner, Direktor des Forschungsschwerpunkts Raumkapital, forderte „urbane Visionen, die skizzieren, wie die gemischte Stadt aussehen soll, in der sich nicht nur alle das Wohnen leisten können, sondern auch eine große Bandbreite an Arbeitsplätzen bereit steht und die Wege zwischen Wohnen, Arbeiten, Versorgung und Freizeit kurz sind“.