„Den sozialen Dialog in der Pflege ausbauen“
Institut Arbeit und Technik: Die Hauptverantwortung liegt bei den Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen, der Staat kann unterstützen!
Pressemitteilung vom 20.03.2015
Redaktion:
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In Deutschland fehlen Pflegekräfte, mehr und mehr Regionen haben bereits akute Probleme bei der Versorgung mit Fachkräften. Haupthindernisse sind die Arbeitsbedingungen und die Bezahlung, die deutlich besser werden müssen, wenn die Pflegeberufe attraktiver werden sollen. Vor diesem Hintergrund plädiert das Gelsenkirchener Institut Arbeit und Technik (IAT / Westfälische Hochschule) dafür, die Selbstorganisation der Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in der Tariffindung zu stärken. „Wir müssen den sozialen Dialog Pflege ausbauen. Die Politik kann diesen Prozess unterstützen“, so der Leiter des Instituts, Prof. Dr. Josef Hilbert.
Die Gewerkschaft Verdi schlägt einen allgemeinverbindlichen und möglichst bundesweiten Tarifvertrag für die Altenpflege vor. Damit soll eine deutliche Verbesserung der Arbeitsbedingungen erreicht werden. Der Pflegebeauftragte der Bundesregierung kündigte für den Sommer einen Gesetzentwurf an, mit dem die Attraktivität der Pflegeberufe gesteigert werden soll. Das IAT weist darauf hin, dass gerade auch die Tarifpartner gefordert sind : „Eine wie auch immer gestaltete staatliche „Ersatzvornahme“ könnte schnell an rechtlichen Problemen scheitern, die Tarifverantwortung der Sozialpartner schwächen und so den Weg in attraktivere Arbeitsbedingungen in der Pflege eher verlängern als verkürzen.“ Gleichwohl gäbe es viele Wege, den sozialen Dialog Pflege durch öffentliche Politik zu unterstützen, etwa indem mehr Regelungsverantwortung auf die Sozialpartner übertragen wird, die Forschung zu besseren Arbeitsbedingungen ausgebaut oder die Finanzierungsgrundlagen für die Pflege ergiebiger gestaltet würden.
Am IAT wird derzeit auch in Zusammenarbeit mit Forschungsgruppen aus anderen EU-Ländern über die Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen in der Pflege geforscht. Vergleiche innerhalb der EU zeigten, dass attraktivere Arbeitsbedingungen in der Pflege erheblich von einheitlichen und integrierten Arbeitgeber-Arbeitnehmerbeziehungen profitieren können. „In der deutschen Pflegebranche allerdings sind sowohl die Märkte, die Interessenorganisationen der Arbeitgeber als auch die Welt der Tarifverträge außergewöhnlich vielfältig, unübersichtlich und heterogen. Dies trägt dazu bei, dass es vielerorts zu niedrigen Abschlüssen kommt und dies begünstigt auch, dass es große regionale Unterschiede bei den Einkommens- und Arbeitsbedingungen gibt“, so die IAT-Arbeitsforscherin Michaela Evans. Eine wichtige Aufgabe bestehe somit darin, auch die strukturellen Voraussetzungen für besser integrierte Verhandlungen und einheitliche Strukturen zu schaffen.
Erfahrungen aus der international vergleichenden Forschung zeigen, dass ein Wandel zu besser organisierten Arbeitgeber-Arbeitnehmer-Beziehungen nicht übers Knie gebrochen werden kann, sondern durch einen soliden sozialen Dialog zwischen den verschiedenen Arbeitgebergruppen einerseits und den Arbeitnehmern andererseits entwickelt werden kann. In Belgien, in den Niederlanden und in Österreich gelang so in den letzten Jahren eine Trendwende zu einer langsamen Aufwertung der Pflegberufe.
In Deutschland haben Arbeitgeber- und Arbeitnehmerorganisationen in der Sozialwirtschaft die EU-Erkenntnisse sorgfältig studiert und erste Schritte zu einem sozialen Dialog gemacht. Es wurde erkannt, dass die drohenden Fachkräfteengpässe nur gemeinsam bekämpft werden können. Erste regionale Umsetzungen einer neuen Sozialpartnerschaft lassen sich auf der regionalen Ebene, etwa in Bremen, in Niedersachsen oder in Baden-Württemberg bereits in Form von Anbietergruppenübergreifenden Tarifverträgen ausmachen.
Für weitere Fragen stehen Ihnen zur Verfügung:
Michaela Evans-Borchers(Arbeit & Wandel)
Josef Hilbert(Gesundheitswirtschaft & Lebensqualität, Gemeinsame Versorgung im Ruhrgebiet)