Zur Bedeutung von Clustern für die Innovationsleitung und den wirtschaftlichen Erfolg von Unternehmen / INNOCLU

Ziel und Aufgabenstellung

Seit jeher kommt Innovationen eine herausragende Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen zu. Regionen sind auf innovierende leistungsstarke Unternehmen angewiesen, um Arbeitsplätze zu sichern, Einkommen zu schaffen und strukturellen Wandel zu gestalten. Gerade in modernen Wissensökonomien mit global vernetzten Güter-, Kapital- und Wissensströmen besitzt die Frage nach den Rahmenbedingungen und Determinanten unternehmerischer und regionaler Innovationsleistung eine besondere Relevanz für das Wachstum von Unternehmen und die Prosperität von Regionen. Auf der Suche nach geeigneten Strategien diesen Herausforderungen zu begegnen, sind «Cluster» und «Innovationen» in den letzten 20 Jahren zu den prominentesten Themen in der wissenschaftlichen und politischen Debatte avanciert.

In diesem Kontext sind – vorangetrieben durch PORTER (1990, 1998) und ENRIGHT (1990) – Cluster für weite Teile der Wissenschaft und Politik zu einem Synonym für Innovation, Wachstum und Prosperität avanciert. Clusterpolitik stellt heute ein zentrales Instrument europäischer, nationaler und regionaler Wirtschafts- und Strukturpolitik dar (Rehfeld 2009: 2f.). Zahlreiche Regionen in Europa versuchen die bestehenden regionalen Stärken durch Clusterinitiativen auszubauen und Wachstumsfelder frühzeitig zu fördern. So lässt sich heute ohne Zweifel feststellen, dass es dem Clusteransatz wie kaum einem anderen territorialen Innovationsmodell gelungen ist, in so kurzer Zeit von einem theoretischen Konzept in die breitepraktische Anwendung zu diffundieren.

Auch in Deutschland herrscht seit einigen Jahren eine wahre «Clustereuphorie», wie der Spitzenclusterwettbewerb der Bundesregierung und die zahlreichen Clusterinitiativen der Bundesländer illustrieren. Begünstigt wurde die breite Diffusion des Konzepts in die Praxis durch vielfach zitierte Beispiele wie Silicon Valley (USA), Emilia-Romagna (Italien), und Baden-Württemberg, der sogenannten «holy trinity», die illustrieren, dass durch die räumliche Konzentration verbundener Unternehmen, Kunden und unterstützender Institutionen wie Hochschule oder Forschungseinrichtungen, Wettbewerbsvorteile für Unternehmen entstehen. Seinen aktuellen Höhepunkt findet die clusterpolitische Debatte auf der europäischen Ebene in der Förderung sogenannter «World Class Cluster» , die verstärkt in den Mittelpunkt des politischen Interesses rücken.BELLEFLAMME ET AL. (2000: 160) verweisen hinsichtlich der sich simultan vollziehenden Globalisierung und (Re-)Regionalisierung darauf, dass Unternehmen in der Lage sein müssen «[…] to serve almost equally all markets (globalization) in order to enjoy the local advantages associated with the formation of clusters (localization)». Ebendieses Globalisierungsparadoxon bildet den Ausgangspunkt einer Vielzahl theoretischer Abhandlungen und empirischer Studien, die im Ergebnis auf die nach wie vor hohe Bedeutung regional institutioneller Strukturen für die Realisierung von Innovationen verweisen und dem Zusammenspiel zwischen unternehmensinternen Faktoren und dem regionalen Umfeld eine zentrale Bedeutung beimessen (Asheim 2006: 261f.).

Die Idee, dass die räumliche Konzentration wirtschaftlicher Aktivitäten Wettbewerbsvorteile für Unternehmen bedingt, ist nicht neu. Bereits im 19. Jahrhundert verweist MARSHALL mit seinem Konzept der «Industrial Districts» auf die Vorteile räumlicher Nähe, die Unternehmen durch Wissensspillover, die Verfügbarkeit spezialisierter Arbeitskräfte und das Vorhandensein spezialisierter Dienstleister erwachsen. Für lange Zeit in Vergessenheit geraten, zeichnet sich seit Ende der 1980er Jahre ein Wandel in der zuvor neo¬klassisch geprägten Theoriedebatte ab. Die Region wird seither verstärkt als wirtschaftlicher «Aktionsraum» wahrgenommen und eine wachsende Anzahl von Industrieökonomen und Innovationsforschern befasst sich mit der Frage nach der räumlichen Dimension von Innovation und deren Auswirkungen, auch mit Blick auf Cluster.

Ein zentraler Grund für diese – in Zeiten der Globalisierung auf den ersten Blick paradox erscheinende – Wiederentdeckung des Raums ist darin zu sehen, dass ungeachtet weltweit vernetzter Austauschprozesse eine räumliche Konzentration von Wirtschafts- und Innovationsaktivitäten zu beobachten ist. Begünstigt wurde diese Entwicklung durch eine Reduktion der Fertigungstiefe und eine Rückbesinnung auf die unternehmerischen Kernkompetenzen. Diese ging einher mit einer stärkeren Betonung interorganisationaler Kooperationen als strategisches Instrument zur Sicherung dauerhafter Wettbewerbsvorteile. Unternehmen agieren vermehrt in Netzwerken, um Unsicherheiten zu reduzieren, Transaktionskosten zu optimieren und komplexen Kundenanforderungen gerecht zu werden. Dabei rückt der Zusammenhang zwischen Wissen, Innovation und Netzwerkaktivitäten zunehmend in den Fokus des Interesses (Powell 2006, Ahuja 2000). Einige Autoren sprechen sogar von einem Wandel des Wirtschaftssystems vom Markt- hin zum Allianzkapitalismus («alliance capitalism»), in dem der kontinuierliche Zugang zu Wissen durch Kooperationen mit externen Partnern über den Unternehmenserfolg entscheidet (Muizer 1998: 5).

Unter den aufgezeigten Rahmenbedingungen gelten Cluster als «ideales» Umfeld für den Transfer von Wissen und die Initiierung von Lernprozessen (Bathelt 2004: 37). Dem liegt die Annahmen von Innovationen als räumlich verorteter, komplexer, interaktiver, sozial eingebetteter und pfadabhängiger Prozess zugrunden. Im wissenschaftlichen Diskurs werden Cluster dabei aus folgenden zentralen Gründen mit der Innovationsleistung und der Wettbewerbsfähigkeit von Unternehmen in Zusammenhang gebracht:

Zusammenfassend betrachtet lässt sich aus den bisherigen Ergebnissen der (empirischen) Clusterforschung kein eindeutiger Zusammenhang zwischen Clusterzugehörigkeit, wirtschaftlichem Erfolg und Innovationsleistung von Unternehmen ableiten. Zwar wird vielfach auf die innovationsfördernde Wirkung von Clustern verwiesen, eine Konkretisierung dieser Effekte unterbleibt jedoch zumeist, insbesondere mit Blick auf die im Cluster agierenden Unternehmen (Mitchell 2010: 7, Boshuizen 2007: 3).

Ein besonderer Forschungsbedarf wird daher in erster Linie in einer vertiefenden Untersuchung der Leistungsfähigkeit von in Clustern lokalisierten Unternehmen aus einzelbetriebswirtschaftlicher Perspektive gesehen (Jiménez 2010: 161, Karaev 2007: 818). An dieser Stelle knüpft das Dissertationsvorhaben an und widmet sich den innovationsbezogenen Clustereffekten auf der Ebene des einzelnen Unternehmens.

Das zentrale Erkenntnisinteresse liegt in der mikroökonomischen Fundierung im Sinne eies vertiefenden Verständnisses der angenommenen innovationsfördernden Wirkung von Clustern auf die partiziperenden Unternehmen am Beispiel der Softwareindustrie.

Ziel ist es, durch die Identifikation clusterbezogener einflussgebender Merkmale auf die unternehmerische Innovationsleistung und den wirtschaftlichen Erfolg, einen theoriegeleiteten und Hypothesen testenden Beitrag zum besseren Verständnis der Wirkungsweise von Clustern auf der Ebene des einzelnen Unternehmens zu leisten. Ausgangspunkt der Untersuchung bildet die Annahme, dass ein positiver Zusammenhang zwischen der Zugehörigkeit eines Unternehmens zu einem Cluster und seiner Wettbewerbsfähigkeit im Sinne der Innovationsleistung und dem Unternehmenserfolg besteht (F1). Dabei wird vermutet, dass infolge heterogener Fähigkeiten und variierender Interaktionsmuster nicht alle Unternehmen gleichermaßen von Clustereffekten profitieren (F2). Unter diesen Prämissen lässt sich das eher breite Erkenntnissinteresse der Untersuchung anhand der folgenden forschungsleitenden Fragestellungen konkretisieren:

F1. Begünstigt die Verfügbarkeit und der Zugang zu clusterspezifischen Ressourcen wie Wissen, Kompetenzen und Kooperationspartnern die Innovativität und den Erfolg von Unternehmen in Clustern («ob»)?

F2. Welche Unternehmen («wer») können in welcher Form («wie») positive Clustereffekte internalisieren?

Mit Blick auf die Ergebnisse der empirischen Untersuchung stellen sich ferner folgende Fragen:

F3. Welche Rückschlüsse lassen sich aus den gewonnenen Erkenntnissen in Bezug auf die strategische Relevanz von Clustern ziehen und was bedeutet dies für das strategische Management in Unternehmen?

F4. Welche Implikationen haben die Ergebnisse für das Management von Clustern und die Clusterpolitik?

Vorgehen

Die Untersuchung gliedert sich neben der Einführung in die Thematik in drei weitere Teile. Den inhaltlichen Schwerpunkt deszweiten Teils bildet die Diskussion der theoretischen Grundlagen als Basis für die Hypothesenformulierung. Zur Beantwortung der forschungsleitenden Fragestellung werden innovations-, management- und clustertheoretische Überlegungen in die Betrachtung einbezogen. In diesem Sinne widmet sich der erste Abschnitt des zweiten Teils der Innovationstheorie als ersten der drei Theoriebausteine. Einleitend wird eine Abgrenzung des Innovationsbegriffs vorgenommen und die Bedeutung von Wissen und Lernen im Innovationsprozess thematisiert. Eine Konkretisierung des dieser Untersuchung zugrundliegenden Innovationsverständnisses erfolgt durch die Gegenüberstellung ressourcenbasierter neoklassischer und wissensbasierter evolutionärer Innovationstheorien. Als weiteren Theoriebaustein thematisiert der zweite Abschnitt die als zentral erachteten Ansätze des Strategischen Managements. Beginnend mit den marktorientierten Ansätzen _, welche die Branchenstruktur in den Mittelpunkt der Betrachtung stellen und eine Outside-In-Perspektive einnehmen, liegt der Schwerpunkt auf den dynamischen ressourcenbasierten _(«Competence-based View»«Knowledge-based View») und den relationalen Ansätzen(«Relational View»), die ihr Augenmerk auf Kompetenzen und Wissen respektive Beziehungen als wettbewerbsstrategische Ressourcen richten und eine Inside-Out-Perspektive bzw. eine relationale Perspektive einnehmen. Neben räumlichen und sektoralen Aspekten finden in den clustertheoretischen Ansätzen als dritten Theoriebaustein, sowohl innovations- als auch managementtheoretische Erkenntnisse ihren Niederschlag. Den Ausgangspunkt bildet hierbei die Herleitung des dieser Arbeit zugrundliegenden Begriffsverständnisses von Clustern gefolgt von der Diskussion um statische und dynamische Agglomerationseffekte sowie der Dynamik der Clusterevolution. Mit der Darstellung von PORTERs marktbasiertem Diamantenmodell und dessen Ausdifferenzierungen bzw. Weiterentwicklungen hin zu den wissensbasierten Ansätzen und den mehrdimensionalen respektive relationalen Ansätzen werden die räumlichen Aspekte unternehmerischen Handelns thematisiert und der aktuelle Stand des clustertheoretischen Diskurses aufgearbeitet. Der dritte Abschnitt schließt mit der Abgrenzung des Clusteransatzes von angrenzenden territorialen Innovationsmodellen. Die Synthese der drei theoretischen Bausteine erfolgt im abschließenden vierten Abschnitt des zweiten Teils mit der Formulierung der forschungsleitenden Hypothesen zur vermuteten Wirkung der Clusterzugehörigkeit auf die unternehmerische Innovationsleistung und den Unternehmenserfolg.

Im Anschluss an den theoretischen Diskurs steht die empirische Untersuchung der formulierten Hypothesen im Mittelpunkt desdritten Teils. Einleitend wird das methodische Vorgehen, beginnend mit der sektoralen und räumlichen Abgrenzung des Untersuchungsgegenstands und der Vorstellung des Untersuchungsdesigns, erörtert. Der anschließende zweite Abschnitt widmet sich der Beschreibung der Datengrundlage und der Datenerhebung, die mittels schriftlicher Befragung auf Basis eines standardisierten Fragebogens in zwei Clustern der Softwarebranche erfolgt. Daran schließt die Operationalisierung der Innovationsleistung und des Unternehmenserfolgs als abhängige Variablen, der Interaktions- und Kooperationsintensität als erklärende Variablen und der Absorptionsfähigkeit als moderierende Variable an. Schließlich wird die Methodik der Datenaufbereitung und -auswertung dargelegt sowie die Reliabilität und Validität der Messung geprüft. Mit der Beschreibung der untersuchten Cluster hinsichtlich ihrer Historie, der strukturellen Zusammensetzung sowie des Clustermanagements erfolgt der Einstieg in die Präsentation der Ergebnisse der Untersuchung, gefolgt von der Prüfung der formulierten Hypothesen und der Diskussion der Ergebnisse der Regressionsrechnung. Das vierte Kapitel schließt mit einer zusammenfassenden Darstellung der empirischen Untersuchungsergebnisse.

Basierend auf den zentralen Erkenntnissen des Theoriediskurses und der empirischen Untersuchung wird im abschließendenvierten Teil der Versuch einer Typenbildung unternommen, die als Grundlage für die Herleitung von Handlungsempfehlungen für Unternehmen dient. Ferner werden die sich aus den Ergebnissen ergebenden Implikationen für das Management von Clustern und die Clusterpolitik diskutiert, der Aussagegehalt der empirischen Untersuchung einer kritischen Würdigung unterzogen sowie der weitere Forschungsbedarf dargelegt.
Mit dem dieser Untersuchung zugrundliegendendem Forschungsziel, die Wirkung einer Clustermitgliedschaft auf den Innovationserfolg zu untersuchen stellt sich die Herausforderung komplexe Wirkungszusammenhänge zwischen einer Vielzahl von Variablen zu prüfen, die nur zum Teil direkt beobachtbar sind. Die weitausgrößere Zahl der betrachteten Variablen, insbesondere die Intensität clusterinterner/-externer Interaktionen, entzieht sich dagegen einer direkten Messung. Vor diesem Hintergrund bietet sich die Auswertung der Befragungsdaten mitteles eines Strukturgleichungsmodells an, gerade auch weil da sie eine Messung latenter Variablen anhand mehrerer Indikatoren sowie eine simultane Betrachtung mehrerer kausaler Beziehungen zulassen. Im Fall der vorliegenden Untersuchung finden sowohl formative als auch reflektive Konstrukte Berücksichtigung, so dass sich eine Partial Least Square Pfadanalyse anbietet. Dabei zielt der PLS-Ansatz auf eine möglichst genaue Prognose der tatsächlichen Beobachtungswerte mit Hilfe einer iterativen, regressionsanalytischen Schätzung der kleinsten Quadrate (Least Squares) der einzelnen Konstrukte (Partial) des Gesamtmodells ab.