Schwierigkeiten und Erfolgsfaktoren bei der Entstehung neuer Branchen / Neubranch
Ziel und Aufgabenstellung
Die zentrale Fragestellung des Projektes bestand darin, welche Faktoren die Herausbildung neuer Branchen begünstigen und behindern und welche strukturpolitischen Konsequenzen sich hieraus ergeben.
Zusammenfassend lassen sich als Ergebnis des Projekts folgende Grundlagen für ein theoretisch fundiertes Branchenkonzept benennen: Den Bezugspunkt für die systematische Definition einer Branche können die Funktionen der Kohärenz und der Wachstumsoptimierung bilden. Wachstumsoptimierung bezieht sich auf die Sicherung und Erweiterung der Märkte. Dieser Bezugspunkt ließe sich auch historisch begründen, da die Ausdifferenzierung von Branchen etwa in Deutschland am Ende des 19. Jahrhundert ganz eng mit der Kontorverse zwischen Landwirtschaft und Stahlindustrie über Schutzzoll und Freihandel verbunden war. Die Kohärenz bezieht sich auf die inner- und zwischenbetrieblichen Standards, innerbetrieblich ermöglicht sie eine gemeinsame Basis für Professionalisierung, zwischenbetriebliche gemeinsame Standards und Orientierungen als Grundlage etwa für einen reibungslosen Geschäfts- und Interaktionszusammenhang zwischen Zulieferern und Endherstellern, eine Funktion, die gerade vor dem Hintergrund zunehmender Reduzierung von Fertigungstiefen und damit verbundener Notwenigkeit von Kooperation künftig noch an Bedeutung gewinnen wird.
Hiervon ausgehend lässt sich eine Branche als die Institutionen definieren, die auf die zwischenbetriebliche Kohärenz und die generelle Wachstumsoptimierung eines Marktsegments abzielen, in dem mehrere Unternehmen konkurrieren. Als Selbstorganisation der konkurrierenden Unternehmen tragen diese Institutionen nach innen zur Kohärenz bei. Dies erfolgt über die Herausbildung von Innovationspfaden, die Professionalisierung der Produktionsprozesse und die Regulierung der Produkte.
Die Problematik der Entstehung neuer Branchen lässt sich anhand von fünf Schlüsselbegriffen zusammenfassen: Entbettung, Verdichtung, Professionalisierung, Institutionalisierung und Kontextgestaltung. Entbettung bezieht sich darauf, dass die potenziellen Akteure einer Branche aus ihrem bisherigen institutionellen Kontext herausgelöst werden müssen, um eine eigene Identität entwickeln zu können. Verdichtung meint die Notwendigkeit, die Interaktion zwischen diesen zu intensivieren, um eine gemeinsame Orientierung entwickeln zu können. Professionalisierung bezieht sich auf eine gemeinsame Orientierung bei der Produktion und Leistungserbringung, also auf ein den spezifischen Produkten und/oder Dienstleistungen angemessenes Prozessverständnis, inner- wie auch zwischenbetrieblich. Institutionalisierung bezieht sich auf Konventionen über die Qualitätsstandards der herzustellenden Produkte bzw. der zu erbringenden Leistungen. Diese Qualitätsstandards können durch formelle Regulierungen wie auch durch informelle Orientierungen festgelegt werden. Die Kontextgestaltung bezieht sich auf den optimalen Rahmen, der für die Vermarktung der Produkte notwendig ist: auf die Ausdifferenzierung spezialisierter benachbarter Unternehmen, auf die politisch-administrative Komplementärstruktur (einschließlich Berufausbildung und Forschungseinrichtungen), und auf die gesellschaftliche Infrastruktur zur Konsumption der Produkte und Leistungen einer Branche.
Vorgehen
Bei dem Projekt handelte es sich um eine Forschungsstandanalyse, die auf die Formulierung von Hypothesen und die Herausarbeitung offener Forschungsfragen abzielte. Inhaltlich wurde in dem Projekt an Diskussionen über Diversifizierungsstrategien von Unternehmen im Strukturwandel, an die Diskussion um ein zunehmendes Zusammenwachsen von materiellen Produkten und komplementären Dienstleistungen und um die Frage nach der Entstehung einer Dienstleistungsökonomie angeknüpft.
Theoretisch wurde auf die Debatte um regionale, nationale und sektorale Innovationssysteme zurückgegriffen, wobei für die Frage nach der Institutionalisierung neuer Branchen auch der französische Ansatz der “Économie des conventions” interessant war, der in den vergangenen Jahren in enger Diskussion auch mit der angelsächsischen Innovationsforschung konkretisiert wurde. Weiterhin boten die Arbeiten von Porter über nationale Wettbewerbsvorteile bei der Entstehung von Branchen bzw. Produktionsclustern wesentliche theoretische Bausteine.