Handlungsempfehlungen für die Gestaltung von Informations- und Kommunikationssystemen (HEGIS) / HEGIS

Ziel und Aufgabenstellung

Bei der Entwicklung und Einführung komplexer IuK-Systeme handelt es sich sowohl um einen technischen, organisatorischen als auch sozialen Gestaltungsprozess. Vor dem Hintergrund veränderter Markt- und Wettbewerbsbedingungen sollen Zeitgerechtigkeit und Flexibilität der Informationsverarbeitung zu einem Wettbewerbsvorsprung beitragen. Die durch den Technikeinsatz intendierte Verbesserung der Wettbewerbsfähigkeit stellt jedoch traditionelle Formen der Ablauf- und Aufbauorganisation ebenso zur Disposition wie die kulturellen und sozialen Orientierungen in Unternehmen. Die Erfolgsaussichten für dermaßen tiefgreifende Erneuerungsprozesse sind deshalb insbesondere davon abhängig, inwieweit es den Unternehmen glückt, die Systemelemente Personal, Organisation und Technik zu einem neuen Gesamtsystem zu transformieren.

In der betrieblichen Praxis lässt sich häufig eine erhebliche Differenz zwischen dem Stand der IuK-Technik-Infrastruktur und den organisationalen Handlungsmustern beobachten. Dieser Unterschied beruht in erster Linie auf dem fehlenden Verständnis über die Handlungsabläufe einer Organisation und dementsprechend ausgerichteten Gestaltungsmaßnahmen. So sind mit dem Neuzuschnitt von Aufgaben und der Nutzung von IuK-Techniken nicht nur neue formale Anforderungen an die Qualifikation verbunden, sondern gleichzeitig wird in das bestehende soziale und machtpolitische System einer Organisation eingegriffen. Konflikte und Hemmnisse, die im Zusammenhang mit Gestaltungsprojekten zu beobachten sind, sind in aller Regel durch Eingriffe in das soziale System verursacht. Die Lösung dieser Probleme hat sich für die Praxis als eigentliche Herausforderung herausgestellt.

Vorgehen

Zunächst wurde ein theoretisches Konzept entwickelt, das die komplexen Anforderungen zur Gestaltung eines betrieblichen IuK-Systems berücksichtigte. Hierzu wurde Rationalisierung als sozialer Prozess beschrieben und dem klassischen Verständnis technisch ökonomischer Rationalität gegenübergestellt. Sowohl die Gestaltung der organisatorischen Strukturen als auch die Entwicklung von IuK-Techniken wurden mit Hilfe von Leitbildern unter dem Blickwinkel sozialer Rationalität betrachtet.

Die Kategorien “Sinn” und “Macht” sollen zur Analyse von sozialem Handeln beitragen. Um die Orientierungen und Motive sozialer Akteure erklären zu können, werden handlungstheoretisch fundierte Ansätze benutzt. Die emergenten Merkmale sozialer Systeme werden dagegen unter dem Konzept “Unternehmenskultur” zusammengefasst. Kulturelle Orientierungen und soziale Mechanismen, welche die Handlungskoordination beeinflussen, geben nicht nur Aufschluß über die Funktionsweise von Organisationen, sondern aus ihrer Analyse können sowohl Strategien zur Konfliktregulation als auch Maßnahmen zur Unterstützung des organisationalen Wandels abgeleitet werden.

Praktisch wird auf der Basis empirischer Untersuchungen der Prozess der Entscheidungsfindung bis zur Einführung komplexer IuK-Systeme expliziert. Anhand der Projektorganisation, Reichweite und Vorgehensweise, die als wesentlich für den späteren Projekterfolg angenommen werden, werden unterschiedliche Typen gebildet. So lassen sich von Unternehmen, die in erster Linie entlang technisch-ökonomischer Kriterien vorgehen, Unternehmen unterscheiden, die ihre Projekte als umfassenden Gestaltungsprozeß organisieren. Als Ergebnis dieser Arbeit sollen Handlungsempfehlungen für eine effiziente und effektive Prozeßgestaltung formuliert werden.

Ergebnisse

Es stellte sich heraus, dass ein Zusammenhang zwischen Personal, (Re-) Organisation und Wirkungs- und Nutzungsgrad existiert. Dieser Zusammenhang lässt sich folgendermaßen beschreiben und strategisch bzw. methodisch unterstützen:

  1. Das soziale Systeme ist die Basis für die Integration instrumenteller Anforderungen, die üblicherweise Modellierungsergebnisse aus normativer Sicht sind. Diese gilt es in einen sozialen Kontext zu übersetzen, damit sie überhaupt wirksam werden können. Im Kern handelt es sich dabei um die Aneignung neuer verhaltensorientierender Regeln und somit um einen organisationalen Lernprozess.
  2. Im Rahmen komplexer Veränderungsvorhaben werden stets verschiedene und mitunter höchst konträre Vorstellungen verfolgt. Als zentrale Aufgabe gilt es deshalb bereits im Entscheidungsprozess mit allen Key-Playern eine Problemlösungsstrategie zu vereinbaren, d.h. sich auf eine gemeinsame Sicht zu verständigen. Am häufigsten scheitern komplexe Veränderungsvorhaben, weil die Projektergebnisse kontraproduktiv gegenläufig sind (z.B. Controllingstrategie kontra Selbstverantwortung durch Gruppenarbeit)
  3. Zur Unterstützung komplexer Veränderungsvorhaben sind traditionelle Methoden und Verfahren (Netzplantechnik, Meilensteinplanung, Top-down-Vorgehen) des Projektmanagements wenig geeignet. Vielmehr gilt es in erster Linie einen organisationalen Lernprozess zu unterstützen.
  4. Da die sozialen Strukturen, d.h. die soziale Ordnung entscheidend für die Lernfähigkeit und Veränderungsbereitschaft der Unternehmen ist, sind Best-practice-Beispiele wenig hilfreich. Die externe Einflüsse (Markt und Wettbewerb) sowie verallgemeinerbare Kategorien wie Branche, Fertigungsstruktur usw. werden meist überschätzt. Entscheidend sind vielmehr die sozialen Binnenenstrukturen (soziale Ordnungen).
  5. Unternehmenskultur läßt sich nicht operationalisieren, da man Kultur gegen keinen anderen Begriff abgrenzen kann.