Themenfelder

Themenfeld 1

Im Fokus steht die Frage, wie sich das gesellschaftliche Phänomen »Reichtum« in seinen unterschiedlichen Facetten jenseits normativer Setzungen fassen lässt und welche Potenziale daraus im Sinne der »Reproduktion« für die ökologische Transformation erwachsen. So ist zu erwarten, dass eine »neue« gesellschaftliche Konvention über Reichtum unweigerlich mit Umverteilung verbunden ist, auch zwischen den Ebenen bzw. Dimensionen des individuellen (materiell/immateriell), relationalen (soziale Beziehungen, gesellschaftliche Verantwortung) und gesellschaftlichen Reichtums. Dies geht einher mit der Frage nach vorherrschenden Macht- und Herrschaftsverhältnissen, die sich zwar in den Debatten zur Kapitalismuskritik (Kaube & Kieserling, 2022) und zum Postwachstum (Stiglitz, 2019; Schmelzer, 2014) finden, jedoch selten systemtransformativ im Rahmen der ökologischen Transformation debattiert werden (Wissen, 2014). Relevante diesbezügliche Fragestellungen in Hinblick auf einen erweiterten Reichtumsbegriff sind: Wie vollzieht sich die (Re)Produktion von Reichtum? Wie wird dieser Prozess durch politische Entscheidungen, gesellschaftliche Transformationsprozesse und andere kontextspezifische Faktoren beeinflusst? Umgekehrt, wie beeinflussen Reichtum und die sich daraus ergebenden Handlungsalternativen gesellschaftliche Transformationsprozesse und Kontextfaktoren?

Themenfeld 2

In der öffentlichen Debatte zu Reichtum und Klimawandel wird kaum nach Einkommensarten differenziert. Grundlage von Reichtum ist häufig Vermögen, während die Möglichkeit, durch Erwerbsarbeit reich zu werden, eher gering ausgeprägt ist (Piketty, 2014). Offen ist, wie sich ökologische Transformationen der Arbeitsgesellschaft auf die Reproduktion von Reichtum im Verhältnis von Vermögen und Erwerbsarbeit auswirken. Mit Blick auf die Arbeitswelt eröffnet ein Zugriff auf ein erweitertes Reichtumsverständnis neue Perspektiven für den Diskurs: Wie wandeln sich Wertorientierungen von Menschen im Zusammenspiel von Arbeit, Ökologie und Ökonomie und welche Implikationen eröffnet dies für partizipative Gestaltungsansätze? Mit Blick auf die individuelle Dimension kommt dem Investitionsverhalten neben dem Konsum ein zentraler Stellenwert für die ökologische Transformation zu. So gibt Kenner (2019) zu bedenken, dass die Reichsten durch ihre Investitionen in fossile Energien massiv zum Klimawandel beitragen. Insbesondere die obersten 1% treffen unternehmerische Entscheidungen, die sehr hohe Emissionen hervorbringen, und profitieren überproportional stark von diesen wirtschaftlichen Aktivitäten. Dem gegenüber stehen auf der anderen Seite zunehmend renditeträchtige Investitionen in »grüne« Projekte.

Themenfeld 3

Für Deutschland lässt sich zwar ein Zusammenhang zwischen Pro-Kopf-Einkommen und CO2-Emissionen nachweisen (Oehlmann et al., 2021), allerdings lassen sich, wie auch bei der Reichtumsverteilung, räumliche Unterschiede vermuten. Diese sind statistisch kaum zu fassen, weil auf einer kleinräumigen Ebene weder die Daten für eine konsum- noch für eine emissionsorientierte Betrachtung (Peterson et al., 2021) vorliegen. In Bezug auf energiebedingte CO2-Emissionen zeigt sich, dass die Pro-Kopf-Emission in den Bundesländern NRW und Brandenburg 2021 am höchsten waren, was vor allem mit der dort noch vorhanden Braunkohlewirtschaft in Verbindung steht (territoriale emissionsorientierte Betrachtung). Das Städteranking der Initiative Klimawette, weist, auch wenn dies methodisch keine wissenschaftlichen Standards einhalten kann, Gelsenkirchen, eine der ärmsten Städte Deutschlands, den schlechtesten Rang beim Pro-Kopf-Klimaschutz zu. Auch gibt es scheinbar wohlhabende Regionen, wie z.B. den Chiemgau, die für ihren klimaverantwortlichen Lebensstil bekannt sind. Zwar existieren Untersuchungen (z.B. Clifton et al., 2011) zur interregionalen Verantwortungskultur, vergleichende Untersuchungen zur interregionalen Klimaverantwortung finden sich dagegen kaum. Daher widmen wir uns in diesem Themenfeld unter Einbeziehung der organisierten Zivilgesellschaft der Frage des räumlichen Zusammenhangs zwischen Reichtum, Klimaneutralität und Suffizienz. 

Themenfeld 4

Im Rahmen der Sommerschule wollen wir normative Setzungen in Frage stellen, Reiche aber ebenso wenig aus der Verantwortung entlassen. Dies bezieht sich auf die Debatte möglicher Regulierungen, die auch das Verhalten weniger preissensibler Menschen betreffen würden und auf die Vorbildfunktion suffizienter Lebensstile. Suffizienz kann aber nicht nur eine individuelle Lebensentscheidung sein, sondern die damit verbundenen Einsparungen müssen sozial fair verteilt werden. Wie Menschen mit geringerem Einkommen diesbezüglich weiterhin Teilhabe ermöglicht werden kann, soll im Rahmen der Sommerschule durch die konzeptionelle Zusammenführung von drei Debatten erfolgen: Erstens die Stärkung der Daseinsvorsorge bzw. der Foundational Economy (Froud et al., 2018), zweitens die Kommunalisierung der Sozialpolitik (Brettschneider & Klammer, 2017) und drittens die Ökologisierung der Sozialpolitik (Bärnthaler et al. 2021): Würden Kommunen sogenannte meritorischen Güter, wie gut erreichbare, qualitativ hochwertige soziale Infrastruktur (mit z.B. ökologischen Schulessen etc.) im Sinne einer 15-Minuten-Stadt (inkl. eines hervorragenden ÖPNV) und (neue) Sharing-Angebote ihren Bürger:innen kostenfrei anbieten, würden davon in besonderer Weise Menschen profitieren, die sich solche Angebote sonst nicht leisten könnten. Dadurch würde diskriminierungs- und bürokratiefreie Teilhabe ermöglicht. Gleichzeitig könnten die Kommunen ökologische Dienstleistungen und Produkte erzeugen. Dies ist nur ein Beispiel der Ausgestaltung einer lokalen ökologischen Sozialpolitik. Unterschiedliche Varianten, auch zur Finanzierbarkeit, sollen in der Sommerschule konzipiert und diskutiert werden.  

Literatur

Bärnthaler, R., Novy, A., & Plank, L. (2021). The Foundational Economy as a Cornerstone for a Social-Ecological Transformation. In: sustainability, 13(18), 10460. https://doi.org/10.3390/su131810460 

Brettschneider, A., & Klammer, U. (2017). Kommunalisierung der Sozialpolitik – Chancen für präventive Konzepte?. In: Zeitschrift für Sozialreform, 63(2), 141-156. https://doi.org/10.1515/zsr-2017-0009 

Clifton, N., Gärtner, S., & Rehfeld, D. (2011). Companies, Cultures, and the Region: Interactions and Outcomes. European Planning Studies, 19(11), 1857-1864. https://doi.org/10.1080/09654313.2011.618683 

Froud, J., Johal, S., & The Foundational Economy Collective (2018). Foundational Economy: The Infrastructure of Everyday Life. Manchester: Manchester University Press. 

Kaube, J., & Kieserling, A. (2022). Die gespaltene Gesellschaft. Berlin: Rowohlt 

Kenner, D. (2019). Carbon Inequality: The Role of the Richest in Climate Change (1st ed.). Routledge. https://doi.org/10.4324/9781351171328

Peterson, S., Wanner, J., & Felbermayr, G. (2021).  Der Effekt von klimapolitischen Maßnahmen auf CO2‐Emissionen und CO2‐Fußabdrücke. GED Fokus Papier 

Piketty, T. (2014). Das Kapital im 21. Jahrhundert. München: C.H. Beck 

Schmelzer, M. (2014). Spielarten der Wachstumskritik: Degrowth, Klimagerechtigkeit, Subsistenz – eine Einführung in die Begriffe und Ansätze der Postwachstumsbewegung. In: Le Monde Diplomatique (Hg.), Atlas der Globalisierung: Weniger wird mehr, 116–121. Berlin: taz Verlags- und Vertriebs GmbH 

Stiglitz, J. E., Fitoussi, J.-P., & Durand, M. (Eds.). (2019). For Good Measure. An Agenda for Moving beyond GDP. New York: The New Press. 

Wissen, M. (2014) Ökologische Krise und ‘große Transformation’ Einführung in den Themenschwerpunkt. In: Österreichische Zeitschrift für Politikwissenschaft 01(1), 49-54.