Modul Fokusgruppeninterview
Zielsetzung
Das Fokusgruppeninterview ist eine geleitete Diskussion mit dem Ziel, Meinungen, persönliche Wahrnehmungen, Einschätzungen und das Erleben einer spezifischen Zielgruppe von sechs bis zehn Personen über ein bestimmtes Thema oder eine bestimmte Situation zu erhalten. Die gruppenspezifische Auswahl der Interviewteilnehmerinnen und -teilnehmer bietet den Vorteil, dass auch die Perspektive schwach vertretener Interessengruppen sichtbar werden kann. So können z. B. Menschen mit Behinderung durch unterstützende Rahmenbedingungen, wie z.B. leichte Sprache, Bildern, Fotos etc., näher zu ihren Interessen befragt werden. Der geschlossene und gruppenspezifische Rahmen des Interviews (z.B. nur Menschen mit psychischer Beeinträchtigung) nimmt Ängste und Unsicherheiten und kann dafür sorgen, dass Teilnehmende ihre Bedürfnisse frei äußern.
Im Bereich der Quartiersentwicklung können Fokusgruppen zu folgenden Zwecken eingesetzt werden:
- zur Ermittlung von Informations- und Handlungsbedarfen,
- als Methode, um die Interessen in öffentlichen Beteiligungsverfahren schwach vertretener Bevölkerungsgruppen (z.B. Menschen mit Behinderung) in die Quartiersentwicklung einzubeziehen,
- zur Ermittlung von Meinungen, Einstellungen und Handlungsbereitschaften,
- zur Ermittlung von Strukturen im Quartier,
- zur Ermittlung von Kommunikationsstrukturen und sozialen Netzwerken,
- um die Motivation für ein bestimmtes Verhalten zu erkunden und Handlungsbarrieren zu entdecken,
- um Informationen und Anregungen zum Umgang mit einem bestimmten Thema zu bekommen,
- als qualitative Vorstufe einer größeren quantitativen Befragung.
Einschätzungen zu diesem Modul von Nutzerinnen und Nutzer
Prozessphase:
eignet sich zur Analyse / Planung
eignet sich zur konkreten Umsetzung
Zeitaufwand:
lässt sich
schnell umsetzen
bedarf längerer
Vorbereitung
Personalaufwand:
geringer personeller
Einsatz nötig
ist sehr
personalintensiv
Finanzieller Aufwand:
ist mit geringen Kosten verbunden
ist sehr
kostenintensiv
Partizipation:
hat einen geringen Beteiligungsgrad
hat einen hohen Beteiligungsgrad
Komplexität:
keine Vorkenntnisse erforderlich
bedarf professioneller Unterstützung
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Anwenderinnen und Anwender
- Kommunen
- Lokale Akteurinnen und Akteure
- Verwaltung
- Politik
- Vereine
- Verbände
- Organisationen im Quartier
- Dienstleistungsunternehmen (z.B. ambulante Pflegedienste)
- Wohnungsunternehmen
Zielgruppe
- Quartiersbewohnerinnen und Quartiersbewohner
- Lokale Akteurinnen und Akteure
Handlungsfelder
Umsetzung und Durchführung
Umsetzung und Durchführung
Der Ablauf des Fokusgruppeninterviews gliedert sich grob in drei Phasen:
Auswahl der Untersuchungseinheiten, Datengewinnung, Auswertung.
Phase 1 – Auswahl der Untersuchungseinheiten:
- Formulierung der Fragestellung: Was möchte man von wem in Erfahrung bringen?
- Bestimmung der Gruppe (z.B. Vertreterinnen und Vertreter von Zielgruppen oder ganz bestimmte Akteurinnen und Akteuren)
- Auswahl und Ausbildung der Moderation
(Moderation sollte Vorerfahrungen im Umgang mit der jeweiligen Zielgruppe besitzen)
- Erstellung eines Leitfadens, des “Inputs“
- Pretest
- Rekrutierung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
Phase 2 – Datengewinnung:
- Angehnehme Gesprächsatmosphäre herstellen ( Menschen mit Beeinträchtigung z.B. im gewohnten Umfeld/geschützten Rahmen befragen)
- Konkret erlebte Situation oder Thematik als Informationsinput bzw.
Stimuli (z.B. Beispielgeschichte, Bilder, Film, Fallvignetten)
- Erschließung des Informationsinput durch halbstrukturierte Fragen.
Beispiel: Was beeindruckte Sie an diesem Beispiel am meisten? Oder: Was
fiel Ihnen an diesem Film am meisten auf? (vgl. Przyborski 2008: 150f.)
- Aufzeichnung/Dokumentation des Interviews (z. B. Aufnahmegerät oder mit Metaplan-Technik)
Phase 3 – Auswertung:
- Analyse der Gesprächsinhalte und des Gesprächsverlaufs und Interpretation im Hinblick auf die Fragestellung
- Zusammenfassung und Präsentation
Wichtige Umsetzungsschritte / Aufwandsabschätzung
- Vorbereitung / inhaltliche Konzeption
- Suche nach Moderation und Briefing
- Einladung der Teilnehmerinnen und Teilnehmer
- Durchführung und Moderation (1-2 Mitarbeitende je nach Teilnehmerzahl
und gewünschtem Umfang der Aufzeichnung und Dokumentation)
- Raum / Catering
- Dokumentation (Redaktion, Layout, Verteilung)
Stolpersteine
Ob und inwieweit es zu einer dynamischen und ausgewogenen Diskussion kommt, ist stark von der Zusammensetzung der Fokusgruppe abhängig. Zugänge zu bestimmten Zielgruppen müssen über Netzwerkpartner/Akteurinnen und Akteure vor Ort (z.B. Träger der Behindertenhilfe oder Migrantenorganisationen) erschlossen werden.
Bewertung
Ein Vorteil gegenüber Einzelinterviews ist, dass durch den Austausch in der Gruppe Themen viel umfassender, vielfältiger und zum Teil kreativer besprochen werden, da sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer gegenseitig inspirieren und motivieren, bestimmte Themen umfassender zu betrachten.
Finanzierungsansätze
- Kommunen
- Stiftungen
- Vereine
Beratung
Ansprechpartnerinnen und Ansprechpartner aus der Behindertenhilfe können bei der Suche nach interessierten Teilnehmerinnen und Teilnehmern behilflich sein.
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Literatur
Schäper, Sabine et al. (2016):
Inklusive Sozialplanung für Menschen im Alter. Ein Manual für die Planungspraxis. Kohlhammer, Stuttgart
Bürki, Rolf (2000):
Klimaänderung und Anpassungsprozesse im Wintertourismus. Publikation der Ostschweizerischen Geographischen Gesellschaft. Neue Folge, Heft 6, St. Gallen
Henseling, Christine / Hahn, Tobias / Nolting, Kathrin (2006):
Die Fokusgruppen-Methode als Instrument in der Umwelt- und Nachhaltigkeitsforschung. In: Institut für Zukunftsstudien und Technologiebewertung, Werkstatt-Bericht Nr. 82, Berlin
Przyborski, Aglaja / Wohlrab-Sahr, Monika (2008):
Qualitative Sozialforschung: Ein Arbeitsbuch. Wissenschaftsverlag, München
Schäper, Sabine (2016):
Bedürfnisse und Bedarfslagen von Menschen mit geistiger Behinderung im Alter. Anforderungen an die
Sozial- und Teilhabeplanung. In: Müller, Sandra Verena; Gärtner, Claudia (Hrsg.): Lebensqualität im Alter Perspektiven für Menschen mit geistiger Behinderung und psychischen Erkrankungen. Springer Verlag, Wiesbaden